Der Vorteil wird sofort spürbar: Wenn wir etwas darstellen, anstatt nur darüber zu sprechen, kommt Leben und Kraft ins Spiel, nach dem Motto: Wenig Theorie, viel Praxis! Daher bringen wir in der Valere Klinik die Anliegen der Patienten so schnell wie möglich in eine Szene hinein. Anstatt über die sog. Angststörung nur zu sprechen, stellen wir eine typische Situation im Therapieraum dar. Beispiel: Angst vor dem Chef. Dann wird sofort alles erlebbar, vor allem auch die unterschiedlichen Rollen: Als Patient kann ich in die eigene Rolle schlüpfen, aber genauso auch in die Rolle des Chefs oder in die Rolle des Zuschauers, der sich die Szene, von anderen Patienten dargestellt, in Ruhe von außen anschauen kann.
Jetzt wird die Szene nicht nur mit Worten beschrieben (also was alles passiert ist), sondern ganz konkret gesehen, gehört und gefühlt, also erlebt und durchlebt. Mit allen Körperreaktionen, im Hier und im Jetzt.
Und auch die Lösungen werden am eigenen Leib gespürt und geprüft. Somit werden Erklärungen und Ratschläge vollkommen überflüssig. Gelebte Lösungen pur statt theoretischer Erklärungen – und dadurch hoch effiziente Therapie!
Das sind keine “Rollenspiele”, auch kein Psychodrama, wo man ein komplettes Gespräch abbilden würde. Sondern: der Patient schildert einen bedrückenden oder Angst auslösenden Dialog, privat, oder beruflich, der schon mehrfach vorkam, und – so die krankmachende Befürchtung – auch in Zukunft wieder ansteht.
Dieses Szenario hat sich zu einem Muster ausgewachsen, das in der jeweils aktuellen Situation schmerzt und darüber hinaus Angst vor der Zukunft auslöst. Diese Angst quält den Patienten aber schon in der Gegenwart. Jeder dieser Dialoge beinhaltet einen kränkenden Kerngedanken, entweder konkret ausgesprochen oder unterschwellig vermittelt. Beispiel: “Sie müssen mehr denken bei Ihrer Arbeit! Gehen Sie endlich intelligent vor!”
Dieser Kern wird herausdestilliert; der inhaltliche Rest ist unwichtig. Die “Sachthemen” waren ja nur der Aufhänger für das unglückliche Gespräch. Hier geht es jetzt rein um die Menschlichkeit, um die Kultur des Gesprächs, um die unfaire Demütigung oder Bedrohung.
In der szenischen Therapie fokussieren wir also sehr spitz auf diesen einen Satz des Chefs. Dazu entwickeln wir eine sinnvolle Antwort, die die eigene Würde wiederherstellt, z.B.: “Auch bei vermeintlichen Fehlern unterstellen Sie mir bitte, dass ich sinnvoll vorgehe.”
Der “Chef”, dargestellt durch den Therapeuten oder durch einen anderen Patienten, wiederholt ständig seinen untauglichen Vorwurf. Und der Patient (oder bei den sog. “Aufstellungen” dessen Stellvertreter) antwortet ebenfalls immer mit dem gleichen Satz (siehe Beispiel oben). Dabei achten wir auch auf die Körpersprache: Haltung, Gesicht, Stimme, Handbewegungen, etc. (siehe auch unter “körper….”)
Oft kommt es vor, dass die Patienten im Laufe dieser Therapieeinheit nicht mehr den Chef, sondern eine strenge Person aus der Kindheit vor sich sehen. Das ist eine gute Gelegenheit, in die hocheffektive Arbeit mit dem sog. “inneren Kind” einzusteigen (siehe dort).
Ebenso häufig bringen sich die Darsteller dieses therapeutischen Dialogs (in dem Fall Chef und Angestellter) selber mit ein. Beispiel: Der “Chef” sagt: “ja, in Ordnung….” oder auch: “kommt nicht rüber! Klingt wie auswendig gelernt.”
Dann gehen wir therapeutisch den nächsten Schritt und lassen den “Angestellten” sagen: “Hören Sie, ich gebe mein Bestes, ist das klar?”, ebenfalls mehrfach wiederholt. Gemeinsam arbeiten wir dann mit diesem Satz weiter, bis er nicht mehr als Lippenbekenntnis, sondern als kraftvoll und konturiert erlebt wird. Und zwar von beiden Seiten: Von innen heraus beim Patienten und ebenso beim jeweiligen Gegenüber. Der Therapeut erkundigt sich also fortwährend beim Patienten nach der inneren Reaktion: Was spüren Sie, wenn Sie diesen Satz laut aussprechen? Wenn Sie ganz gerade stehen? Wenn Sie die Arme vor der Brust verschränken? Wenn Sie einen Fuß nach vorne setzen? usw.
Wohlgemerkt: Der Therapeut fragt den Patienten. Konkret: Nichts wird vorweggenommen, nichts wird “besser gewusst”, die Frage ist immer aufrichtig gemeint. Keine Haltung und keine Lautstärke ist per se besser als eine andere, definitiv nicht, sondern der Patient entscheidet ganz souverän, was sich besser anfühlt und was schlechter. Und darauf stellt sich der Therapeut mit seinem nächsten Therapieangebot dann ein. Noch einmal: Die Therapeuten stellen sich auf die Reaktionen der Patienten ein, niemals umgekehrt.
Zunächst erscheint das Procedere erst einmal unangenehm, sogar anstrengend. Zum Glück nur für eine kurze Zeitspanne. Denn schon nach wenigen Minuten der Therapie stellt sich dann das gewünschte Gefühl ein, z. B. Sicherheit oder Gelassenheit. Dieser Teil der Therapie fühlt sich eher an wie ein Training: Der Patient steht im Mittelpunkt: Mit seinen Gefühlen und Handlungen. Mit den neu erworbenen sog. “tools”, in diesem Fall, sich ab sofort (!) wehren zu können gegen unfaire Angriffe.